Ein Reisebericht

Vom 18.-21. Juli 2023 besuchte eine österr. Delegation bestehend aus Bäuerinnen und Bauern, VertreterInnen des Landwirtschaftsministeriums, Jury-Mitgliedern und Projektteam das Partnerprojekt in Irland, um gegenseitig Erfahrungen zu den Tätigkeiten als Biodiversitätsbotschafter*in auszutauschen. Begleitet wurde die Gruppe von Brendan Dunford, dem Initiator des Burren Programms und von Farming for Nature Irland.

Beginn der Reise war in Dublin. Die erste positive Überraschung war, dass der Busfahrer selbst auch Landwirt war und daher spürbares Interesse an allen Reisestationen hatte. Ein Busfahrer, der an allen Exkursionen und Diskussionen teilnimmt, ist eine Seltenheit und war für alle eine Überraschung.

Die erste Station war ein großer Milchviehbetrieb in der Nähe von Dublin. Der Landwirt John McHugh hatte 2016 beschlossen, die intensive Milchkuhhaltung aufzugeben und den Viehbestand zu verringern. Er reduzierte die GVE von fast 3 auf nunmehr 1 GVE/ha. Der Grund dafür war, dass John das Gefühl hatte, mit seinem Betrieb nicht mehr resilient genug gegenüber Umwelteinflüssen und wirtschaftlichen Einflüssen zu sein. Mit der Rückkehr zu einer extensiveren Bewirtschaftung schaffte er sich mehr persönliche und zeitliche Freiheiten. Gleichzeitig profitierte dadurch die Biodiversität auf seinem Land. John führte die Reisegruppe über seine Weideflächen, die mittlerweile mehr Kräuter und Blütenpflanzen aufwiesen als vor der Betriebsumstellung. Erstaunt waren die österr. LandwirtInnen über den lockeren Umgang mit Disteln und Jakobskreuzkraut, das teilweise in großen, gelbblühenden Beständen auf den Weiden stand. John sah das recht entspannt, und meinte nur, dass sich dies innerhalb weniger Jahre selbst regeln würde. Sehr stolz war John auf die mächtigen Hecken entlang seiner Weideflächen. Er zeigte der Reisegruppe auch eine Stelle, an der Wildbienen nisten. Eine Besonderheit am Betrieb war, dass John eine Fläche für einen Community Garden zur Verfügung stellt, wo Menschen aus der Nachbarschaft Obst und Gemüse anbauen können. Auf die Frage, ob er damit Geld verdient, meinte John nur, dass ihm das in diesem Fall nicht so wichtig ist. Das Projekt macht ihm Spaß und die GärtnerInnen bedanken sich, indem sie John Naturalien schenken oder ihm das Badezimmer verfließen. Zum Abschluss des ersten Betriebsbesuchs gab es eine Diskussion mit einem Vertreter des irischen Landwirtschaftsministeriums über das aktuelle Agrarumweltprogramm in Irland.


Am zweiten Tag ging es nach dem Besuch des beeindruckenden Landschaftsgartens Birr Castle weiter Richtung Westen. Die Gruppe besuchte einen kleinen Milchviehbetrieb, der ursprünglich als Selbstversorger-Hof begonnen wurde. Die Betriebsleiterin Mimi Crawford war als Wooverin auf den Hof gekommen, und ist dann als nunmehrige Frau des Landwirts dortgeblieben. Sie erzählte, dass sie es als großen Vorteil empfunden hat, selbst nicht aus der Landwirtschaft zu stammen. Dadurch konnte sie vieles unbedarft ausprobieren und musste sich nicht den Prinzipien unterordnen, die man als Landwirt ansonsten von den Eltern oder aus der Schule mitbekommt. Mimi und ihr Mann Owen halten derzeit 8 Shorthorn-Milchkühe. Deren Milch wird in Rohmilch-Produkte verarbeitet und am Hof sowie in den Handel verkauft. Sie züchten Schweine und Hühner. Die Hühner kommen nach den Kühen auf die Weideflächen und werden dort in kleinen, mobilen Ställen gehalten. Das Fleisch wird an Abnehmer aus der Umgebung vermarktet.


Die zweite Station an diesem Tag befand sich bereits in der Region Burren an der Westküste Irlands. Dort traf die Reisegruppe Oliver Nagle. Er hat wieder damit begonnen, die artenreichen Karstwiesen der Region so zu bewirtschaften, wie es von den LandwirtInnen vor ihm bereits seit mehreren 1000 Jahren im Burren betrieben wurde. Im Sommer weiden die Rinder (vor allem Mutterkühe mit Nachwuchs) im Tal, im Winter kommen die Tiere auf die so genannten Winterweiden („winterage“). Diese Flächen sind höher gelegene Weiden im Kalkstein-Gebiet des Burren. Die Weiden sind durchzogen mit Steinen und Vertiefungen, dazwischen wachsen Gräser und Kräuter. Eine wunderschöne und ökologisch reichhaltige Landschaft, auf Grund des geringeren Bewuchses ökonomisch für die LandwirtInnen jedoch herausfordernd. Daher wurde die ursprüngliche Bewirtschaftung ab den 1970er Jahren verändert. Die Rinder auf den Winterweiden erhielten Zufütterungen mit Silage. Das führte dazu, dass die Tiere nicht mehr das Gras und die Kräuter abweideten, sondern die Silage fraßen und die Winterweiden entsprechend verbuschten und ökologisch immer mehr verarmten. Brendan Dunford war maßgeblich daran beteiligt, die ursprüngliche Wirtschaftsweise wieder bei den LandwirtInnen beliebter zu machen, indem er das Burren Programm ins Leben rief. Die LandwirtInnen erhielten öffentliche Gelder dafür, dass sie die Winterweiden wieder traditioneller bewirtschaften. Das Burren Programm war eine der ersten Ergebnisorientierten Fördermaßnahmen in der EU. Die Weiden wurden nach einem 10stufigen Punktesystem bewertet, wobei 10 Punkte den besten ökologischen Zustand kennzeichneten. Je mehr Punkte eine Fläche erhielt, umso mehr Geld bekam der Landwirt dafür. Das führte dazu, dass die LandwirtInnen bestrebt waren, den ökologischen Zustand wieder zu verbessern, um eine höhere Prämie zu bekommen.

Gemeinsam mit Oliver Nagle besichtigte die Reisegruppe seine Winterweiden und war erstaunt darüber, dass er auf dem unwegsamen Gelände sogar Charolais Rinder unfallfrei weiden lässt. Vor Ort stieß ein Vertreter des Board BIA dazu, einer staatlichen Organisation, die sich der Vermarktung irischer Landwirtschafts-Produkte verschrieben hat. Der Kollege erläuterte, dass bei der Vermarktung immer mehr auf ökologische Standards geachtet wird. Es gibt ein Qualitätsprogramm für Rindfleisch, bei dem viele Bauern aus dem Burren teilnehmen.


Am Donnerstag ging es zum Betrieb von Michael Davoreen, der schon von Anbeginn am Burren Programm teilnahm. Er wies darauf hin, wie wichtig es ist, moderne Technik mit bewährten traditionellen Bewirtschaftungsweise zu verbinden, um artenreiche Kulturlandschaften wie den Burren zu erhalten. Es wurde intensiv über die aktuelle Fördersituation in Irland diskutiert: Der Ergebnisorientierte Ansatz wurde auf fast ganz Irland ausgeweitet. Die Förderkulisse besteht zwar aus 7 Regionen, allerdings werden für alle Regionen fast dieselben Fördervoraussetzungen herangezogen. Das führte im Burren zu stark verringerten Fördersätzen im Vergleich zum ehemaligen Burren Programm.


Der zweite Betriebsbesuch am Donnerstag führte die Reisegruppe wieder zurück in Richtung Süd-Osten in die Nähe des Shannon River zur Irish Seedsavers Association (ISSA). Das ist eine Organisation aus Freiwilligen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, Saatgut von alten Sorten zu erhalten. Die ISSA führt einen landwirtschaftlichen Betrieb mit Gemüseanbau und Obstwiesen. Sie sind mit über 20 Angestellten der größte Arbeitgeber in der Region. Zuerst wurde der Gemüsegarten besichtigt. Vor allem die Vermehrung von zweijährige Gemüsesorten, z.B. alten Rüben-, Karotten- oder Salatsorten ist herausfordernd. Üblicherweise steht bei solchen Gemüsen die Ernte der essbaren Teile im ersten Jahr im Vordergrund. Daher gibt es wenig Know-How darüber, wie man diese Sorten am besten kultiviert, um ihr Saatgut zu gewinnen. Eine Erfahrung der ISSA war, dass solche Gemüsesorten viel später angebaut werden müssen als es im Erwerbsgemüsebau üblich ist, damit sie in einem guten Zustand über den Winter gehen und dann im nächsten Jahr die Samen geerntet werden können. Nach Besichtigung des Gartens wurden die Erntemethoden und die Maschinen zum Sortieren des Saatguts vorgeführt. Danach gab es eine Führung durch den Obstgarten, in dem über 100 verschiedenen alte Apfelsorten kultiviert werden.

Beim anschließenden Besuch im Pub wurden die Eindrücke und Erfahrungen der gemeinsamen Reise in gemütlicher Runde ausgetauscht. Im Vergleich zu Österreich gibt es in Irland natürlich andere Herausforderungen und Gegebenheiten, wie zum Beispiel ein völlig anderes Klima, unterschiedliche Topografie und gesellschaftliche Rahmenbedingungen. Was sich bei diesem Austausch jedoch als ähnlich zeigte, war die Einstellung der irischen Botschafter-Bäuerinnen und -Bauern zur Natur und Landwirtschaft. Es sind sehr innovative und bewusst agierende LandwirtInnen, die sich immer darüber Gedanken machen, warum und wie sie Dinge tun. Sie finden neue Wege, wie man als Bäuerin und Bauer wirtschaftlich erfolgreich sein und gleichzeitig die Biodiversität erhalten kann.