Ein besonderer Abend dank besonderer Gäste

Festliche Abendveranstaltung in der Urania Wien

Hat die Gesellschaft eine Botschaft an die Landwirtschaft? Eine Frage, die die feierliche Abendveranstaltung am 18. November 2024 in der Wiener Urania einleitete. Ein Impulsvortrag von Katharina Kropshofer, Journalistin bei der Wiener Wochenzeitung Falter, sowie eine Wortmeldung von Timo Küntzle, Journalist und Autor, lieferten wertvolle Denkanstöße für jede Einzelne bzw. jeden Einzelnen von uns, was die Erwartungshaltung an und unsere Blickwinkel auf die Landwirtschaft betreffen. Erwartungen und Blickwinkel, die derart unterschiedlich und vielschichtig sind, dass sie es schwer machen, die eine Botschaft an die Landwirtschaft zu formulieren. Erwartungen und Blickwinkel, die es aber vor allem gilt, stets kritisch zu hinterfragen. Unweigerlich wachsen damit Respekt und Wertschätzung für Landwirte und Landwirtinnen, die es schaffen, Ökologie und Ökonomie unter einen Hut zu bringen. Genau jenen Landwirtinnen und Landwirten will das Projekt Farming For Nature eine Plattform bieten, wie es Johanna Frangež – die Projektkoordinatorin von Farming For Nature Österreich – kurz erläuterte. In einem mehrstufigen Auswahlprozess werden von einer Expert*innenjury Botschafter*innen für Biodiversität gekürt, die stellvertretend für jene Landwirte und Landwirtinnen stehen, die erfolgreich wirtschaften, obwohl oder gerade, weil sie der Natur ihren Raum geben.


Fünf dieser Lichtblicke – wie es Küntzle treffend formulierte – standen dann im Mittelpunkt des weiteren Abend: unsere Botschafter*innen für Biodiversität 2024. Kurze Interviews sowie kleine Mitbringsel von ihren Betrieben, die die Botschafter*innen im Publikum verschenkten, gaben Einblicke in ihre ganz besondere Art des Wirtschaftens und brachten dem Publikum näher, warum es ihnen so wichtig ist, Landwirtschaft im Einklang mit der Natur zu betreiben.

Auf dem Betrieb von Jakob Mayer dreht sich alles um die Elsbeere: Im Haus der Elsbeere können hofeigene Produkte aus den aromatischen Beeren verkostet werden. Das Elsbeer-Chalet – eingerichtet mit Elsbeer-Möbeln – ist der ideale Ort, um Entspannung zu finden und die wunderbare Landschaft mit den alten, majestätischen Streuobstbäumen auf sich wirken zu lassen. In den Höhlen der alten Bäume findet u.a. der Halsbandschnäpper Nistmöglichkeiten. Auch für Insekten gestaltet Jakob gezielt Lebensräume: Abgestorbene Bäume bleiben teilweise einfach liegen und sind damit Insektenhotels der Extraklasse. Gemäht wird insektenschonend mit dem Doppelmesser-Mähwerk, so wie zu Opas Zeiten.

Generationen miteinander verbinden ist Angelina Pucher eine besondere Herzensangelegenheit. Mit ihrem Buch „Erzähl mal, wie es früher war“ hat Angelina ein Projekt initiiert, das Jung und Alt näher zusammenrücken lässt. Volksschulkinder haben Erzählungen und Erinnerungen von älteren Menschen aus ihrem Umfeld zusammengetragen, die Angelina in diesem Buch aufbereitet hat. Altes Wissen und Traditionen werden damit für nachfolgende Generationen am Leben erhalten, so wie auf Angelinas Sturm-Archehof auf 1.300 m: Vom Aussterben bedrohte Nutztierrassen finden hier ein zu Hause. Rassen, die perfekt angepasst sind für die traditionelle Almbeweidung. In der hofeigenen Knopfmacherstube wird altes Handwerk wiederbelebt und aus natürlichen Materialien wie Kuhhorn Knöpfe hergestellt.

Eine bunte Schar an alten Nutztierrassen halten Alexander Steindl auf Trab bzw. er sie: Schafen, Ziegen, Hühner und Rinder wechseln spätestens alle 2-3 Tage ihre Weide. Das fördert die Bodengesundheit und die Wüchsigkeit des Grünfutters. Um den häufigen Weidewechsel mit seinen Rindern möglichst einfach zu halten, verlaufen die einzelnen Weidebereiche strahlenförmig von einem gemeinsamen Zentrum in alle Himmelsrichtungen. Die Grenzen der einzelnen Weidebereiche, die „Strahlen“ der sog. Sonnenweide, sind Gehölzstreifen, um Strukturvielfalt auf die Grünlandflächen zu bringen. Das Pflanzgut für die Agroforstsysteme zieht Alexander in seiner privaten Baumschule hoch, da er mangels Sortenvielfalt in heimischen Baumschulen oft nicht fündig wurde.

Große Sortenvielfalt in Sachen Obst und Gemüse findet man auf dem Betrieb von Armin Rauch – bemerkenswert, immerhin liegt der Hof des Vorarlbergers auf 900 m Seehöhe. Nicht weniger bemerkenswert für so manch Hobbygärtner*innen: Schneckenplagen kennt Armin nicht. An den Außengrenzen seiner Gärten patrouillieren Laufenten, eifrig auf der Suche nach den schleimigen Delikatessen. Tigerschnegel, die die Eier ihrer nahverwandten Artgenossen frischem Obst und Gemüse vorziehen, leisten zusätzlich nützliche Dienste. Ein durchdacht angelegter Teich schafft nicht nur Lebensraum für Amphibien und Reptilien, sondern reflektiert die Sonnenstrahlen auf das angrenzende Glashaus und sorgt bei der heranwachsende Ernte für ordentlich Wärme.

In der sonnigen Südsteiermark sucht BIO-Weinbauer Otto Knaus während der schweißtreibenden Arbeit im Weingarten gern den kühlenden Schatten unter einem seiner Bäume auf. Für ihn auch ideale Orte, um innezuhalten und das bunte Leben in seinem Weingarten zu beobachten, denn für triste Weingartenmonotonie gibt es hier keinen Platz: Auf den blüten- und kräuterreichen Fahrgassen, die Otto nie auf einen Schlag und ausreichend spät mäht, sammeln Insekten eifrig Nektar. In den Bäumen trällern Singvögel ihr Lied, während eine Smaragdeidechse am Rand eines Gehölzstreifens ihr Sonnenbad genießt. Vor allem schlägt Ottos Herz für Ringelnatter, Schlingnatter & Co. Den Kaltblütlern bietet er in eigens angelegten Schlangennestern, schwarze Teichfolie in einem Holzrahmen fixiert, ein warmes Plätzchen für kalte Stunden.


Publikumsliebling 2024

Fünf Kurzfilme stellen die Höfe und Herangehensweisen der Biodiversitätbotschafter*innen 2024 vor und haben dazu motiviert, für die persönliche Lieblingsgeschichte abzustimmen. Mehr als 1.500 Personen haben bei der Online-Abstimmung mitgemacht. Das Ergebnis wurde am 18. November von Barbara Steurer, Geschäftsführerin des ÖKL sowie Mitglied der Farming For Nature-Expert*innenjury, verkündet: Die meisten Stimmen konnte Alexander Steindl aus Haidershofen in Niederösterreich für sich gewinnen.


Zwei Ehrenpreise im Zeichen der Biodiversität

Die Begeisterung von Hans Gnauer für das Thema Bodengesundheit bzw. bodenschonende Bewirtschaftung, um damit wirtschaftlich und gleichzeitig biodiversitätsfördernd zu arbeiten, verwirklicht er tatkräftig auf seinem Ackerbaubetrieb. Darüber hinaus ist er stets bemüht, seine Leidenschaft für bodenschonende Bewirtschaftung mit einem möglichst breiten Publikum zu teilen, sowohl schriftlich – in Form von Artikeln in Fachzeitschriften oder Newslettern – als auch mündlich in Form von Workshops, Feldtagen, Vorträgen etc. im Rahmen seiner Tätigkeiten als Obmannstellvertreter des Vereins Boden.Leben. Grund genug, um Hans Gnauer einen Farming For Nature-Ehrenpreis für sein außerordentliches und unermüdliches Engagement im Sinne der Biodiversität zu verleihen.

Damit umweltfreundliche Landwirtschaft nicht nur die Natur unterstützt und fördert, sondern auch für die Bewirtschafter*innen neben ideellen auch finanzielle Anreize bietet, sind entsprechende Fördermittel notwendig. Um große Agrar-Förderinstrumente wie das ÖPUL zu konzipieren und umzusetzen, bedarf es von Seiten der bewilligenden Stellen neben fachlicher Expertise auch großes Verhandlungsgeschick sowie ein gewisses Fingerspitzengefühl, um Vertreter*innen verschiedener Interessensgruppen zu hören, zu verstehen und adäquate Kompromisse zu finden. Eigenschaften, die Lukas Weber-Hajszan, Leiter der Abteilung II/3 im Bundesministerium Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft, wie kein anderer verkörpert. Vor allem ist es aber der stets wertschätzende Umgang mit seinem Gegenüber, dem er gleichzeitig verlässliche, kompetente und stets erreichbare Anlaufstelle für fachliche Fragen ist – Eigenschaften, die Max Albrecht als Vertreter der Naturschutzbehörde in seiner Laudatio an den zweiten Preisträger für den Farming For Nature-Ehrenpreis besonders betonte.


Moderiert von Wolfgang Suske, dem Projektleiter des Projektes Farming For Nature Österreich, und musikalisch umrahmt von Amy Yon verbrachten die rund 120 Teilnehmer*innen einen kurzweiligen Abend im Dachsaal der Urania, hoch über den Dächern Wiens.

 

Fotos: Ing. Robert Harson